Immer wieder waren Kolleginnen und Kollegen sowie Geschäftsführung des Fleischerverbandes Nord in den vergangenen Wochen im Rahmen von Veranstaltungen oder Schulungen mit der Politik im Gespräch. Der Fokus lag auf tierschutzgerechtem Schlachten und der Stärkung der kleinen Betriebe.
„Was essen wir morgen?“ Unter diesem Motto stand die Veranstaltung der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung im Rahmen der Grünen Woche in Berlin. Gäste aus der Landwirtschaft, den Ernährungsgewerken und viele weitere Vertreter von Verbänden und Einrichtungen waren von Landwirtschaftsminister Werner Schwarz in die Landesvertretung in Berlin eingeladen worden. Auch der Fleischerverband Nord war mit Landesinnungsmeister Roland Lausen sowie Anna-Lena Klaus und Joachim Drescher (Geschäftsführung) vertreten.
Ernährungstrends der Zukunft
Ein Impulsvortrag von Foodtrendforscherin Hanni Rützler zeichnete ein Bild von der Zukunft unserer Ernährung: Insektenproteine, Fleisch aus dem 3D-Drucker oder Milch aus speziellen Fermentationsverfahren? Was nach sonderbaren Nischenentwicklungen klingt, ist längst auf den Weg gebracht – und zwar mit mächtig finanzieller Schlagkraft. Dass Alternativen zu tierischen Produkten nachgefragt werden und sich damit gut Geld verdienen lässt, hat die Branche in der Vergangenheit bereits beobachten können. Und Investoren glauben an eine steigende Nachfrage und verkaufsfähige Produkte.
Was bedeutet diese Entwicklung für das Fleischerhandwerk? Hanni Rützler sieht Fleisch in den kommenden Jahren nicht verschwinden, aber eher zu einem Feinkostprodukt werden. Ein besonderer Artikel, der sich aber nur verkauft, wenn Tierwohl, Qualität und Nachhaltigkeit bzw. Regionalität damit verbunden sind. Diese Debatte kommt dem Fleischerhandwerk auf den ersten Blick entgegen, denn auch die Politik will ja regionale Strukturen erhalten und mehr Qualität statt Quantität. Doch im Alltag der Fleischerhandwerklichen Betriebe ist von Zugewandtheit der Politik wenig zu spüren. Nicht nur, dass der Bundeslandwirtschaftsminister eine für das Fleischerhandwerk unverständliche Linie fährt (siehe offener Brief des DFV an Cem Özdemir). Auch der Fleischerverband Nord führte im Januar viele Gespräche mit Politkern über die Situation der Betriebe, vor allem in Schleswig-Holstein.
Tierschutzgerechtes Schlachten
Wenn über den Erhalt und die Unterstützung regionaler Strukturen gesprochen wird, so geht es immer auch um selbstschlachtende Betriebe. Vor dem Hintergrund des Schlachtskandals von Flintbek im vergangenen Jahr suchen Politik und Behörden in Schleswig-Holstein nach Maßnahmen, damit sich solche Fälle nicht wiederholen können. Die zuständigen Behörden weisen jegliche Mitverantwortung in Bezug auf die Vorfälle in Flintbek von sich. Aus ihrer Sicht sind auch vermehrte Kontrollen keine Lösung und nach kurzer Zeit war das Thema Video-Überwachung auf der Agenda. Der zuständige Kreis, zu dem auch der Flintbeker Betrieb gehörte, hat nun mit den verbleibenden vier Betrieben eine „Freiwillige Videoüberwachung“ vereinbart. Die Betriebe installieren also nach bestimmten Kriterien eine Kameraanlage, die Kosten übernimmt der Kreis. Alle Betriebe machen mit, denn sie haben keine Alternative. Wer keine Kameras installiert, müsste viel häufiger kontrolliert werden, so die Behörde, und das müsste der Betrieb dann auch bezahlen. Schon vor Weihnachten waren Vertreter des Fleischer-Verbandes Schleswig-Holstein sowie die Geschäftsführung von Fleischer Nord zu Gast bei Landwirtschaftsminister Werner Schwarz in Kiel. Dort konnten die Betriebe die Situation aus ihrer Sicht schildern und stießen beim Minister auf Verständnis. Er sehe keine flächendeckende Video-Überwachung in Schleswig-Holstein, sagte Schwarz. Der Verband platzierte im Gespräch die Forderung, den kleinen handwerklichen Betrieben die Schlachtgebühren zu erlassen. So könne man wirklich regionale Strukturen unterstützen und die Betriebe stärken, so Joachim Drescher.
Anhörung im Landtag
Das sogenannte „Pilotprojekt“ war auch Thema einer Landtagsanhörung, zu der der Landesverband Schleswig-Holstein eingeladen war. Roland Lausen und Anna-Lena Klaus konnten den Abgeordneten des Agrar-Ausschusses die Situation der kleinen Betriebe im Fleischerhandwerk deutlich machen. Sie distanzierten sich vom Flintbeker Betrieb und betonten, wie wichtig den Kollegen ein tierschutzgerechter Umgang mit Schlachtvieh ist. Auch eine verlässliche Kontrolle und konstruktive Zusammenarbeit mit den Behörden sind für den Verband selbstverständlich. Roland Lausen und Anna-Lena Klaus erläuterten aber auch, welche Schwierigkeiten eine Video-Überwachung für die Betriebe bedeuten. Außerdem wolle man nicht in Sippenhaft genommen werden, so Lausen. Frau Klaus betonte, dass dem Verband das Thema tierschutzgerechtes Schlachten wichtig ist und dass zeitgleich zur Anhörung in Hamburg eine Schulung dazu stattfände.
Schulung mit dem bsi Schwarzenbek
Über 40 Teilnehmer aus Betrieben in Niedersachsen und Schleswig-Holstein waren in der Aula der Berufsschule BS 03 in Hamburg zusammengekommen. Frau Dr. von Holleben (bsi Schwarzenbek) referierte vier Stunden mit vielen Praxisbeispielen über Tierschutz bei der Schlachtung. Es ging um Transportfähigkeit, Betäubung, Betriebliche Eigenkotrolle und Arbeitsanweisungen. Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit Fragen zu stellen und diskutieren Fallbeispiele. „Es geht darum den Betrieben zu ermöglichen, immer auf dem aktuellen Stand der Vorgaben zu sein“, so Joachim Drescher, Geschäftsführer des Fleischerverbandes Nord. „Wir haben solch eine Schulung schon vor Corona in Niedersachsen angeboten und planen, diese Veranstaltung einmal im Jahr durchzuführen.“